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[ Gräf Nr. 1143: In Darmstadt befand sich übrigens eine Gesellschaft von sehr gebildeten Männern. Geheimerath von Hesse, Minister des Landgrafen, Professor Petersen, Rector Wenck und andere waren die Einheimischen, zu deren Werth sich manche fremde Benachbarte und viele Durchreisende abwechselnd gesellten. Die Geheimeräthin von Hesse und ihre Schwester, Demoiselle Flachsland, waren Frauenzimmer von seltenen Verdiensten und Anlagen, die letztere, Herders Braut, 98 doppelt interessant durch ihre Eigenschaften und ihre Neigung zu einem so vortrefflichen Manne. Wie sehr dieser Kreis mich belebte und förderte, wäre nicht auszusprechen. Man hörte gern die Vorlesung meiner gefertigten oder angefangenen Arbeiten, man munterte mich auf, wenn ich offen und umständlich erzählte, was ich eben vorhatte, und schalt mich, wenn ich bei jedem neuen Anlaß das Früherbegonnene zurücksetzte. Faust war schon vorgerückt, Götz von Berlichingen baute sich nach und nach in meinem Geiste zusammen, das Studium des funfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts beschäftigte mich, und jenes Münstergebäude hatte einen sehr ernsten Eindruck in mir zurückgelassen, der als Hintergrund zu solchen Dichtungen gar wohl dastehn konnte. ]