Dritter Act

Vor dem Pallaste des Menelas zu Sparta

Helena tritt auf und Chor gefangener Trojanerinnen. Panthalis Chorführerin
Helena
8488Bewundert viel und viel gescholten Helena
Vom Strande komm’ ich wo wir erst gelandet sind,
8490Noch immer trunken von des Gewoges regsamem
Geschaukel, das vom phrygischen Blachgefild uns her
Auf sträubig-hohem Rücken, durch Poseidons Gunst
Und Euros Kraft in vaterländische Buchten trug.
Dort unten freuet nun der König Menelas
8495Der Rückkehr sammt den tapfersten seiner Krieger sich.
Du aber heiße mich willkommen, hohes Haus,
Das Tyndareos, mein Vater, nah dem Hange sich
Von Pallas Hügel wiederkehrend aufgebaut,
Und als ich hier mit Klytämnestren schwesterlich,
8500Mit Castor auch und Pollux fröhlich spielend wuchs,
Vor allen Häusern Spartas, herrlich ausgeschmückt.
Gegrüßet seyd mir der eh’rnen Pforte Flügel ihr,
Durch euer gastlich ladendes Weiteröffnen einst
Geschah’s daß mir, erwählt aus vielen, Menelas
8505In Bräutigams-Gestalt entgegen leuchtete.
Eröffnet mir sie wieder, daß ich ein Eilgebot8506 Eröffnet ] C.1 4 Eröffnet : Eröffenet Ri 2 III H.3Eröffenet 2 III H.3a:1Eröffnet 2 H  (II b*)
Des Königs treu erfülle, wie der Gattin ziemt.
Laßt mich hinein! und alles bleibe hinter mir,
Was mich umstürmte bis hieher, verhängnißvoll.
8510Denn seit ich diese Schwelle sorgenlos verließ,8510 Schwelle ] 2 III H.2:1Stelle 2 III H.3 2 III H.3a:1 2 H C.1 4  (II b)
Cytherens Tempel besuchend, heiliger Pflicht gemäß,
Mich aber dort ein Räuber griff, der phrygische,
Ist viel geschehen, was die Menschen weit und breit
So gern erzählen, aber der nicht gerne hört
8515Von dem die Sage wachsend sich zum Mährchen spann.
Chor
Verschmähe nicht, o herrliche Frau,
Des höchsten Gutes Ehrenbesitz!
Denn das größte Glück ist dir einzig beschert,
Der Schönheit Ruhm der vor allen sich hebt.
8520Dem Helden tönt sein Name voran,
Drum schreitet er stolz,
Doch beugt sogleich hartnäckigster Mann
Vor der allbezwingenden Schöne den Sinn.
Helena
Genug! mit meinem Gatten bin ich hergeschifft
8525Und nun von ihm zu seiner Stadt vorausgesandt;
Doch welchen Sinn er hegen mag errath’ ich nicht.
Komm’ ich als Gattin? komm’ ich eine Königin?
Komm’ ich ein Opfer für des Fürsten bittern Schmerz
Und für der Griechen lang’erduldetes Mißgeschick?
8530Erobert bin ich, ob gefangen weiß ich nicht!
Denn Ruf und Schicksal bestimmten fürwahr die Unsterblichen
Zweydeutig mir, der Schöngestalt bedenkliche
Begleiter, die an dieser Schwelle mir sogar
Mit düster drohender Gegenwart zur Seite stehn.
8535Denn schon im hohlen Schiffe blickte mich der Gemahl
Nur selten an, auch sprach er kein erquicklich Wort.
Als wenn er Unheil sänne saß er gegen mir.
Nun aber, als des Eurotas tiefem Buchtgestad
Hinangefahren der vordern Schiffe Schnäbel kaum
8540Das Land begrüßten, sprach er, wie vom Gott bewegt:
Hier steigen meine Krieger, nach der Ordnung, aus,
Ich mustere sie am Strand des Meeres hingereiht,8542 mustere ] 2 III H.3a:1 mustre : mustere Ri G 2 III H.3 mustere 2 III H.3a:1mustre 2 H C.1 4  (II b)
Du aber ziehe weiter, ziehe des heiligen
Eurotas fruchtbegabtem Ufer immer auf,
8545Die Rosse lenkend auf der feuchten Wiese Schmuck,
Bis daß zur schönen Ebene du gelangen magst,
Wo Lakedämon einst ein fruchtbar weites Feld,
Von ernsten Bergen nah umgeben, angebaut.
Betrete dann das hochgethürmte Fürstenhaus
8550Und mustere mir die Mägde, die ich dort zurück
Gelassen, sammt der klugen alten Schaffnerin.
Die zeige dir der Schätze reiche Sammlung vor,
Wie sie dein Vater hinterließ und die ich selbst
In Krieg und Frieden, stets vermehrend, aufgehäuft.
8555Du findest alles nach der Ordnung stehen: denn
Das ist des Fürsten Vorrecht daß er alles treu
In seinem Hause, wiederkehrend, finde, noch
An seinem Platze jedes wie er’s dort verließ.
Denn nichts zu ändern hat für sich der Knecht Gewalt.
Chor
8560Erquicke nun am herrlichen Schatz,
Dem stets vermehrten, Augen und Brust;
Denn der Kette Zier, der Krone Geschmuck
Da ruhn sie stolz und sie dünken sich was;
Doch tritt nur ein und fordre sie auf,
8565Sie rüsten sich schnell.
Mich freuet zu sehn Schönheit in dem Kampf
Gegen Gold und Perlen und Edelgestein.
Helena
Sodann erfolgte des Herren ferneres Herrscherwort:
Wenn du nun alles nach der Ordnung durchgesehn,
8570Dann nimm so manchen Dreyfuß als du nöthig glaubst
Und mancherlei Gefäße die der Opfrer sich
Zur Hand verlangt, vollziehend heiligen Festgebrauch.
Die Kessel, auch die Schalen, wie das flache Rund,
Das reinste Wasser aus der heilgen Quelle sey8574 heilgen ] 2 Hheiligen C.1 4  (II aa)
8575In hohen Krügen, ferner auch das trockne Holz,
Der Flammen schnell empfänglich, halte da bereit,
Ein wohlgeschliffnes Messer fehle nicht zuletzt;
Doch alles andre geb’ ich deiner Sorge heim.8578 heim ] 2 III H.2:1hin 2 III H.3 2 III H.3a:1 2 H C.1 4  (II b)
So sprach er, mich zum Scheiden drängend; aber nichts
8580Lebendigen Athems zeichnet mir der Ordnende
Das er, die Olympier zu verehren, schlachten will.
Bedenklich ist es, doch ich sorge weiter nicht
Und alles bleibe hohen Göttern heimgestellt,
Die das vollenden, was in ihrem Sinn sie däucht,
8585Es möge gut von Menschen, oder möge bös
Geachtet seyn, die Sterblichen wir ertragen das.
Schon manchmal hob das schwere Beil der Opfernde
Zu des erdgebeugten Thieres Nacken weihend auf,
Und konnt’ es nicht vollbringen, denn ihn hinderte
8590Des nahen Feindes oder Gottes Zwischenkunft.
Chor
Was geschehen werde sinnst du nicht aus,
Königin schreite dahin
Guten Muths.
Gutes und Böses kommt
8595Unerwartet dem Menschen;
Auch verkündet glauben wir’s nicht.
Brannte doch Troja, sahen wir doch
Tod vor Augen, schmählichen Tod;
Und sind wir nicht hier
8600Dir gesellt, dienstbar freudig,
Schauen des Himmels blendende Sonne
Und das schönste der Erde
Huldvoll, dich, uns Glücklichen.
Helena
Sey’s wie es sey! Was auch bevorsteht, mir geziemt
8605Hinaufzusteigen ungesäumt in das Königshaus,
Das lang entbehrt, und viel ersehnt, und fast verscherzt,
Mir abermals vor Augen steht, ich weiß nicht wie.
Die Füße tragen mich so muthig nicht empor
Die hohen Stufen die ich kindisch übersprang.
Chor
8610Werfet o Schwestern, ihr
Traurig gefangenen,
Alle Schmerzen ins Weite;
Theilet der Herrin Glück,
Theilet Helenens Glück,
8615Welche zu Vaterhauses Herd,
Zwar mit spätzurückkehrendem
Aber mit desto festerem
Fuße freudig herannaht.
Preiset die heiligen,
8620Glücklich herstellenden
Und heimführenden Götter!
Schwebt der Entbundene
Doch wie auf Fittigen
Über das Rauhste, wenn umsonst
8625Der Gefangene sehnsuchtsvoll
Über die Zinne des Kerkers hin
Armausbreitend sich abhärmt.
Aber sie ergriff ein Gott
Die Entfernte;
8630Und aus Ilios Schutt
Trug er hierher sie zurück,
In das alte das neugeschmückte
Vaterhaus,
Nach unsäglichen
8635Freuden und Qualen,
Früher Jugendzeit
Angefrischt zu gedenken.
Panthalis
als Chorführerin
Verlasset nun des Gesanges freudumgebnen Pfad
Und wendet nach der Thüre Flügeln euren Blick.
8640Was seh’ ich, Schwestern? Kehret nicht die Königin,
Mit heftigen Schrittes Regung, wieder zu uns her?
Was ist es, große Königin, was konnte dir
In deines Hauses Hallen, statt der Deinen Gruß,
Erschütterendes begegnen? Du verbirgst es nicht;
8645Denn Widerwillen seh ich an der Stirne dir8645 seh ] C.1 4seh’ C.2α 4 C.3 4  (IV a)
Ein edles Zürnen das mit Überraschung kämpft.
Helena
welche die Thürflügel offen gelassen hat, bewegt
Der Tochter Zeus geziemet nicht gemeine Furcht
Und flüchtig-leise Schreckenshand berührt sie nicht;
Doch das Entsetzen, das dem Schoos der alten Nacht,
8650Von Urbeginn entsteigend, vielgestaltet noch8650 Von ] 2 III H.2:1Vom 2 III H.3a:1 2 H C.1 4  (II b)
Wie glühende Wolken, aus des Berges Feuerschlund,
Herauf sich wälzt erschüttert auch des Helden Brust.
So haben heute grauenvoll die Stygischen
In’s Haus den Eintritt mir bezeichnet, daß ich gern
8655Von oft betretner, langersehnter Schwelle mich,
Entlaßnem Gaste gleich, entfernend scheiden mag.8656 Entlaßnem ] C.1 4Entlass’nem C.2α 4 C.3 4  (IV a)
Doch nein! gewichen bin ich her an’s Licht, und sollt
Ihr weiter nicht mich treiben, Mächte, wer ihr seyd.
Auf Weihe will ich sinnen, dann gereinigt mag
8660Des Herdes Gluth die Frau begrüßen wie den Herrn.
Chorführerin
Entdecke deinen Dienerinnen, edle Frau,
Die dir verehrend beistehn, was begegnet ist.
Helena
Was ich gesehen sollt ihr selbst mit Augen sehn,
Wenn ihr Gebilde nicht die alte Nacht sogleich
8665Zurück geschlungen in ihrer Tiefe Wunderschoos.
Doch daß ihr’s wisset, sag’ ich’s euch mit Worten an:
Als ich des Königs-Hauses ernsten Binnenraum,
Der nächsten Pflicht gedenkend, feyerlich betrat,
Erstaunt’ ich ob der öden Gänge Schweigsamkeit.
8670Nicht Schall der emsig wandelenden begegnete8670 wandelenden ] 2 Hwandelnden 2 III H.1 wandelnden : wandelenden Ri G 2 III H.2:1 wandelnden : wandelenden Jo 2 III H.3a:1 wandelenden 2 Hwandelnden C.1 4  (II aa)
Dem Ohr, nicht raschgeschäftges Eiligthun dem Blick,8671 raschgeschäftges ] 2 III H.3a:1raschgeschäftiges 2 H C.1 4  (II b)
Und keine Magd erschien mir, keine Schaffnerin
Die jeden Fremden freundlich sonst begrüßenden.
Als aber ich dem Schooße des Herdes mich genaht,
8675Da sah’ ich, bei verglommner Asche lauem Rest,
Am Boden sitzen welch verhülltes großes Weib,
Der Schlafenden nicht vergleichbar, wohl der Sinnenden.
Mit Herrscherworten ruf’ ich sie zur Arbeit auf,
Die Schaffnerin mir vermuthend, die indeß vielleicht
8680Des Gatten Vorsicht hinterlassend angestellt;
Doch eingefaltet sitzt die unbewegliche;
Nur endlich rührt sie, auf mein Dräun, den rechten Arm,
Als wiese sie von Herd und Halle mich hinweg.
Ich wende zürnend mich ab von ihr und eile gleich
8685Den Stufen zu, worauf empor der Thalamos
Geschmückt sich hebt und nah daran das Schatzgemach;
Allein das Wunder reißt sich schnell vom Boden auf,
Gebietrisch mir den Weg vertretend, zeigt es sich
In hagrer Größe, hohlen, blutig-trüben Blicks,
8690Seltsamer Bildung, wie sie Aug und Geist verwirrt.
Doch red’ ich in die Lüfte; denn das Wort bemüht
Sich nur umsonst Gestalten schöpferisch aufzubaun.
Da seht sie selbst! sie wagt sogar sich an’s Licht hervor!
Hier sind wir Meister, bis der Herr und König kommt.
8695Die grausen Nachtgeburten drängt der Schönheitsfreund,
Phöbus hinweg in Höhlen, oder bändigt sie.
Phorkyas auf der Schwelle zwischen den Thürpfosten auftretend
Chor
Vieles erlebt’ ich, obgleich die Locke
Jugendlich wallet mir um die Schläfe!
Schreckliches hab’ ich vieles gesehen,
8700Kriegrischen Jammer, Ilios Nacht,
Als es fiel.
Durch das umwölkte, staubende Tosen,
Drängender Krieger hört’ ich die Götter
Fürchterlich rufen, hört’ ich der Zwietracht
8705Eherne Stimme schallen durch’s Feld,
Mauerwärts.
Ach, sie standen noch, Ilios
Mauern, aber die Flammengluth
Zog vom Nachbar zum Nachbar schon
8710Sich verbreitend von hier und dort
Mit des eignen Sturmes Wehn
Über die nächtliche Stadt hin.
Flüchtend sah ich, durch Rauch und Gluth
Und der züngelnden Flamme Lohn8714 Lohn ] 2 HLohe C.1 4  (II aa)
8715Gräßlich zürnender Götter Nahn,
Schreitend Wundergestalten
Riesengroß durch düsteren
Feuerumleuchteten Qualm hin.
Sah’ ich’s, oder bildete
8720Mir der angstumschlungne Geist8720 angstumschlungne ] 2 III H.3a:1angstumschlungene 2 H C.1 4  (II b)
Solches Verworrene? sagen kann
Nimmer ich’s, doch daß ich dieß
Gräßliche hier mit Augen schau
Solches gewiß ja weiß ich;
8725Könnt’ es mit Händen fassen gar
Hielte von dem Gefährlichen
Nicht zurücke die Furcht mich.8727 mich. ] mich. 2 Hmich C.1 4  (II aa)
Welche von Phorkys
Töchtern nur bist du?
8730Denn ich vergleiche dich
Diesem Geschlechte.
Bist du vielleicht der graugebornen,
Eines Auges und Eines Zahns
Wechselsweis theilhaftigen,
8735Graien eine gekommen?
Wagest du Scheusal
Neben der Schönheit
Dich vor dem Kennerblick
Phöbus zu zeigen?
8740Tritt du dennoch hervor nur immer
Denn das Häßliche schaut Er nicht,8741 nicht, ] 2 H C.2α 4 C.3 4nicht. C.1 4  (II aa, IV b)
Wie sein heilig Auge noch
Nie erblickte den Schatten.
Doch uns Sterbliche nöthigt, ach,
8745Leider trauriges Mißgeschick
Zu dem unsäglichen Augenschmerz,
Den das Verwerfliche ewig-unselige
Schönheitliebenden rege macht.
Ja so höre denn, wenn du frech
8750Uns entgegenest, höre Fluch,
Höre jeglicher Schelte Drohn,
Aus dem verwünschenden Munde der Glücklichen
Die von Göttern gebildet sind.
Phorkyas
Alt ist das Wort, doch bleibet hoch und wahr der Sinn,
8755Daß Scham und Schönheit nie zusammen, Hand in Hand,
Den Weg verfolgen über der Erde grünen Pfad.
Tief eingewurzelt wohnt in beiden alter Haß,
Daß wo sie immer irgend auch des Weges sich
Begegnen, jede der Gegnerin den Rücken kehrt.
8760Dann eilet jede wieder heftiger, weiter fort,
Die Scham betrübt, die Schönheit aber frech gesinnt,
Bis sie zuletzt des Orkus hohle Nacht umfängt,
Wenn nicht das Alter sie vorher gebändigt hat.
Euch find’ ich nun, ihr frechen, aus der Fremde her
8765Mit Übermuth ergossen, gleich der Kraniche
Laut-heiser klingendem Zug, der über unser Haupt,
In langer Wolke, krächzend sein Getön herab
Schickt, das den stillen Wandrer über sich hinauf
Zu blicken lockt; doch ziehn sie ihren Weg dahin,
8770Er geht den seinen, also wird’s mit uns geschehn.
Wer seyd denn ihr? daß ihr des Königes Hochpallast
Mänadisch wild, Betrunknen gleich umtoben dürft?
Wer seyd ihr denn, daß ihr des Hauses Schaffnerin
Entgegen heulet, wie dem Mond der Hunde Schaar?
8775Wähnt ihr, verborgen sey mir welch Geschlecht ihr seyd,
Du kriegerzeugte, schlechterzogne, junge Brut?8776 schlechterzogne ] 2 III H.3a:1schlachterzogne 2 H C.1 4  (II b)
Mannlustige du, so wie verführt verführende,
Entnervend beide, Kriegers auch und Bürgers Kraft.
Zu Hauf euch sehend scheint mir ein Cicaden-Schwarm
8780Herabzustürzen, deckend grüne Feldersaat.
Verzehrerinnen fremden Fleißes! Naschende
Vernichterinnen aufgekeimten Wohlstands ihr,
Erobert, marktverkauft, vertauschte Waare du!
Helena
Wer gegenwarts der Frau die Dienerinnen schilt,
8785Der Gebiet’rin Hausrecht tastet er vermessen an;
Denn ihr gebührt allein das Lobenswürdige
Zu rühmen, wie zu strafen was verwerflich ist.
Auch bin des Dienstes ich wohl zufrieden, den sie mir
Geleistet als die hohe Kraft von Ilios
8790Umlagert stand und fiel und lag; nicht weniger
Als wir der Irrfahrt kummervolle Wechselnoth
Ertrugen, wo sonst jeder sich der nächste bleibt.
Auch hier erwart’ ich gleiches von der muntern Schaar;
Nicht was der Knecht sey, fragt der Herr, nur wie er dient,
8795Drum schweige du und grinse nicht sie länger an.8795 nicht sie ] 2 III H.2:1 sie nicht : nicht sie umst G 2 III H.2:1 sie nicht 2 III H.3a:1 2 H C.1 4  (II b)
Hast du das Haus des Königs wohl verwahrt bisher,
Anstatt der Hausfrau, solches dient zum Ruhme dir;
Doch jetzo kommt sie selber, tritt nun du zurück,
Damit nicht Strafe werde statt verdienten Lohns.
Phorkyas
8800Den Hausgenossen drohen bleibt ein großes Recht,
Das gottbeglückten Herrschers hohe Gattin sich
Durch langer Jahre weise Leitung wohl verdient.
Da du, nun Anerkannte! neu den alten Platz8803 Anerkannte! neu ] 2 III H.1Anerkannte! nun 2 III H.2:1 2 III H.3a:1 2 H C.1 4  (II b)
Der Königin und Hausfrau wiederum betrittst,
8805So fasse längst erschlaffte Zügel, herrsche nun,
Nimm in Besitz den Schatz und sämmtlich uns dazu.
Vor allem aber schütze mich die ältere
Vor dieser Schaar, die, neben deiner Schönheit Schwan,
Nur schlecht befittigt schnatterhafte Gänse sind.
Chorführerin
8810Wie häßlich neben Schönheit zeigt sich Häßlichkeit.
Phorkyas
Wie unverständig neben Klugheit Unverstand.
Von hier an erwiedern die Choretiden, einzeln aus dem Chor heraustretend.
Choretide 1
Von Vater Erebus melde, melde von Mutter Nacht.
Phorkyas
So sprich von Scylla, leiblich dir Geschwisterkind.
Choretide 2
An deinem Stammbaum steigt manch Ungeheu’r empor.
Phorkyas
8815Zum Orkus hin! da suche deine Sippschaft auf.
Choretide 3
Die dorten wohnen sind dir alle viel zu jung.
Phorkyas
Tiresias den Alten gehe buhlend an.
Choretide 4
Orions Amme war dir Ur-Urenkelin.
Phorkyas
Harpyen wähn’ ich fütterten dich im Unflat auf.
Choretide 5
8820Mit was ernährst du so gepflegte Magerkeit?
Phorkyas
Mit Blute nicht, wonach du allzulüstern bist.
Choretide 6
Begierig du auf Leichen, ekle Leiche selbst!
Phorkyas
Vampyren-Zähne glänzen dir im frechen Maul.
Chorführerin
Das deine stopf’ ich wenn ich sage wer du seyst.
Phorkyas
8825So nenne dich zuerst, das Räthsel hebt sich auf.
Helena
Nicht zürnend, aber traurend schreit’ ich zwischen euch,
Verbietend solches Wechselstreites Ungestüm!
Denn schädlicheres begegnet nichts dem Herrscherherrn
Als treuer Diener heimlich unterschworner Zwist.
8830Das Echo seiner Befehle kehrt alsdann nicht mehr
In schnell vollbrachter That, wohlstimmig ihm zurück,
Nein, eigenwillig brausend tos’t es um ihn her,
Den selbstverirrten, in’s Vergeb’ne scheltenden.
Dieß nicht allein. Ihr habt in sittenlosem Zorn,8834 sittenlosem ] 2 III H.2:1sittelosem 2 III H.3a:1 2 H C.1 4  (II b)
8835Unsel’ger Bilder Schreckgestalten hergebannt,
Die mich umdrängen, daß ich selbst zum Orkus mich
Gerissen fühle, vaterländ’scher Flur zum Trutz.
Ist’s wohl Gedächtniß? war es Wahn, der mich ergreift?
War ich das alles? Bin ich’s? Werd ich’s künftig seyn,
8840Das Traum- und Schreckbild jener Städteverwüstenden?
Die Mädchen schaudern, aber du die älteste
Du stehst gelassen, rede mir verständiges Wort.8842 verständiges ] 2 III H.2:1verständig 2 III H.3a:1 2 H C.1 4  (II b)
Phorkyas
Wer langer Jahre mannigfaltigen Glücks gedenkt,
Ihm scheint zuletzt die höchste Göttergunst ein Traum.
8845Du aber hochbegünstigt, sonder Maaß und Ziel,
In Lebensreihe sahst nur Liebesbrünstige,
Entzündet rasch zum kühnsten Wagstück jeder Art.
Schon Theseus haschte früh dich, gierig aufgeregt,
Wie Herakles stark, ein herrlich schön geformter Mann.
Helena
8850Entführte mich, ein siebenjährig schlankes Reh,8850 siebenjährig ] C.1 4zehenjährig 2 Hmon 2 III H.3bsiebenjährig G 2 H C.1 4 zehenjährig Ec 2 H C1 41 C3 41 Qdreyzehnjährig Ri 2 H  (VI)
Und mich umschloß Aphidnus Burg in Attika.
Phorkyas
Durch Castor und durch Pollux aber bald befreit,
Umworben standst du ausgesuchter Helden-Schaar.
Helena
Doch stille Gunst vor allen, wie ich gern gesteh’,
8855Gewann Patroklus, er des Peliden Ebenbild.
Phorkyas
Doch Vaterwille traute dich an Menelas,
Den kühnen Seedurchstreicher, Hausbewahrer auch.
Helena
Die Tochter gab er, gab des Reichs Bestellung ihm.
Aus ehlichem Beiseyn sproßte dann Hermione.
Phorkyas
8860Doch als er fern sich Creta’s Erbe kühn erstritt,
Dir Einsamen da erschien ein allzuschöner Gast.
Helena
Warum gedenkst du jener halben Witwenschaft?
Und welch Verderben gräßlich mir daraus erwuchs?
Phorkyas
Auch jene Fahrt mir freigebornen Creterin
8865Gefangenschaft erschuf sie, lange Sclaverey.
Helena
Als Schaffnerin bestellt’ er dich sogleich hieher
Vertrauend vieles, Burg und kühn erworbnen Schatz.
Phorkyas
Die du verließest, Ilios umthürmter Stadt
Und unerschöpften Liebesfreuden zugewandt.
Helena
8870Gedenke nicht der Freuden! allzuherben Leid’s
Unendlichkeit ergoß sich über Brust und Haupt.
Phorkyas
Doch sagt man, du erschienst ein doppelhaft Gebild,
In Ilios gesehen und in Ägypten auch.
Helena
Verwirre wüsten Sinnes Aberwitz nicht gar.
8875Selbst jetzo, welche denn ich sey, ich weiß es nicht.
Phorkyas
Dann sagen sie: aus hohlem Schattenreich herauf
Gesellte sich inbrünstig noch Achill zu dir!
Dich früher liebend gegen allen Geschicks Beschluß.
Helena
Ich als Idol, ihm dem Idol verband ich mich.
8880Es war ein Traum, so sagen ja die Worte selbst.
Ich schwinde hin und werde selbst mir ein Idol.
Sinkt dem Halbchor in die Armenach 8881 Arme ] Arme). C.1 4Arme.) C.2α 4 C.3 4  (VIII)
Chor
Schweige, schweige!
Mißblickende, mißredende du!
Aus so gräßlichen einzahnigen
8885Lippen was enthaucht wohl
Solchem furchtbaren Greuelschlund.
Denn der bösartige wohlthätig erscheinend,
Wolfesgrimm unter schafwolligem Vließ,
Mir ist er weit schrecklicher als des drey-
8890köpfigen Hundes Rachen.
Ängstlich lauschend stehn wir da,
Wann? wie? wo nur bricht’s hervor
Solcher Tücke
Tiefauflauerndes Ungethüm?
8895Nun denn, statt freundlich mit Trost reich begabten
Letheschenkenden holdmildesten Worts,
Regest du auf aller Vergangenheit
Bösestes mehr denn Gutes,
Und verdüsterst allzugleich
8900Mit dem Glanz der Gegenwart8900 Glanz ] C.1 4 Glanz : Glanze zS 2 H   (VII)
Auch der Zukunft
Mild aufschimmerndes Hoffnungslicht.
Schweige, schweige!
Daß der Königin Seele,
8905Schon zu entfliehen bereit,
Sich noch halte, festhalte
Die Gestalt aller Gestalten
Welche die Sonne jemals beschien.
Helena hat sich erholt und steht wieder in der Mitte.
Phorkyas
Tritt hervor aus flüchtigen Wolken hohe Sonne dieses Tags
8910Die verschleiert schon entzückte, blendend nun im Glanze herrscht.
Wie die Welt sich dir entfaltet schaust du selbst mit holdem Blick.
Schelten sie mich auch für häßlich kenn’ ich doch das Schöne wohl.
Helena
Tret’ ich schwankend aus der Öde die im Schwindel mich umgab,
Pflegt’ ich gern der Ruhe wieder, denn so müd’ ist mein Gebein:
8915Doch es ziemet Königinnen, allen Menschen ziemt es wohl
Sich zu fassen, zu ermannen was auch drohend überrascht.
Phorkyas
Stehst du nun in deiner Großheit, deiner Schöne vor uns da,
Sagt dein Blick, daß du befiehlest, was befiehlst du? sprich es aus.
Helena
Eures Haders frech Versäumniß auszugleichen seyd bereit,
8920Eilt ein Opfer zu bestellen wie der König mir gebot.
Phorkyas
Alles ist bereit im Hause, Schale, Dreyfuß, scharfes Beil,
Zum Besprengen, zum Beräuchern; das zu Opfernde zeig’ an.
Helena
Nicht bezeichnet’ es der König.
Phorkyas
Sprach’s nicht aus? O Jammerwort!
Helena
Welch ein Jammer überfällt dich?
Phorkyasvor 8924 Phorkyas ] Phorkyas C.1 4Phorkyas. C.2α 4 C.3 4  (VIII)
Königin, du bist gemeint!
Helena
8925Ich?
Phorkyas
8925Und diese.
Chor
8925Weh und Jammer!
Phorkyas
8925Fallen wirst du durch das Beil.
Helena
Gräßlich! doch geahnt, ich Arme!
Phorkyas
Unvermeidlich scheint es mir.
Chor
Ach! Und uns? was wird begegnen?
Phorkyas
Sie stirbt einen edlen Tod;
Doch am hohen Balken drinnen, der des Daches Giebel trägt,
Wie im Vogelfang die Drosseln, zappelt ihr der Reihe nach.
Helena und Chor stehen erstaunt und erschreckt, in bedeutender, wohl vorbereiteter Gruppe
Phorkyas
8930Gespenster! – – – Gleich erstarrten Bildern steht ihr da,
Geschreckt vom Tag zu scheiden der euch nicht gehört.
Die Menschen, die Gespenster sämmtlich gleich wie ihr,
Entsagen auch nicht willig hehrem Sonnenschein;
Doch bittet, oder rettet niemand sie vom Schluß;
8935Sie wissen’s alle, wenigen doch gefällt es nur.
Genug ihr seyd verloren! Also frisch an’s Werk.
klatscht in die Hände, darauf erscheinen an der Pforte vermummte Zwerggestalten, welche die ausgesprochenen Befehle alsobald mit Behendigkeit ausführen.
Herbei du düstres, kugelrundes Ungethüm,
Wälzt euch hieher, zu schaden gibt es hier nach Lust.
Dem Tragaltar, dem goldgehörnten, gebet Platz,
8940Das Beil, es liege blinkend über dem Silberrand,
Die Wasserkrüge füllet, abzuwaschen gibt’s
Des schwarzen Blutes greuelvolle Besudelung.
Den Teppich breitet köstlich hier am Staube hin,
Damit das Opfer niederkniee königlich,
8945Und eingewickelt, zwar getrennten Haupts, sogleich
Anständig würdig, aber doch bestattet sey.
Chorführerin
Die Königin stehet sinnend an der Seite hier,
Die Mädchen welken gleich gemähtem Wiesengras;
Mir aber däucht, der Ältesten, heiliger Pflicht gemäß
8950Mit dir das Wort zu wechseln, Ur-Urälteste.
Du bist erfahren, weise, scheinst uns gut gesinnt,
Ob schon verkennend hirnlos diese Schaar dich traf.
Drum sage, was du möglich noch von Rettung weißt.
Phorkyas
Ist leicht gesagt: Von der Königin hängt allein es ab
8955Sich selbst zu erhalten, euch Zugaben auch mit ihr.
Entschlossenheit ist nöthig und die behendeste.
Chor
Ehrenwürdigste der Parzen, weiseste Sibylle du,
Halte gesperrt die goldne Schere, dann verkünd’ uns Tag und Heil;
Denn wir fühlen schon im Schweben, Schwanken, Bammeln unergetzlich
8960Unsere Gliederchen, die lieber erst im Tanze sich ergetzten,
Ruh’ten drauf an Liebchens Brust.
Helena
Laß diese bangen! Schmerz empfind’ ich, keine Furcht;
Doch kennst du Rettung, dankbar sey sie anerkannt.
Dem Klugen, Weitumsichtigen zeigt fürwahr sich oft
8965Unmögliches noch als möglich. Sprich und sag es an.
Chor
Sprich und sage, sag uns eilig: wie entrinnen wir den grausen,
Garstigen Schlingen? die bedrohlich, als die schlechtesten Geschmeide,
Sich um unsre Hälse ziehen. Vorempfinden wir’s, die Armen,
Zum entathmen, zum ersticken, wenn du Rhea, aller Götter
8970Hohe Mutter, dich nicht erbarmst.
Phorkyas
Habt ihr Geduld des Vortrags langgedehnten Zug
Still anzuhören? Mancherlei Geschichten sind’s.
Chor
Geduld genug! Zuhörend leben wir indeß.
Phorkyas
Dem der zu Hause verharrend edlen Schatz bewahrt,
8975Und hoher Wohnung Mauern auszukitten weiß,
Wie auch das Dach zu sichern vor des Regens Drang,
Dem wird es wohlgehn lange Lebenstage durch:
Wer aber seiner Schwelle heilige Richte leicht
Mit flüchtigen Sohlen überschreitet freventlich,
8980Der findet wiederkehrend wohl den alten Platz,
Doch umgeändert alles, wo nicht gar zerstört.
Helena
Wozu dergleichen wohlbekannte Sprüche hier.
Du willst erzählen, rege nicht an Verdrießliches.
Phorkyas
Geschichtlich ist es, ist ein Vorwurf keineswegs.
8985Raubschiffend ruderte Menelas von Bucht zu Bucht,
Gestad’ und Inseln, alles streift er feindlich an,
Mit Beute wiederkehrend, wie sie drinnen starrt.
Vor Ilios verbracht’ er langer Jahre zehn,
Zur Heimfahrt aber weiß ich nicht wie viel es war.
8990Allein wie steht es hier am Platz um Tyndareos
Erhabnes Haus? wie stehet es mit dem Reich umher?
Helena
Ist dir denn so das Schelten gänzlich einverleibt,
Daß ohne Tadeln keine Lippe du regen kannst?8993 keine Lippe du ] 2 III H.2:1du keine Lippe 2 III H.3a:1 2 H C.1 4  (II b)
Phorkyas
So viele Jahre stand verlassen das Thal-Gebirg,
8995Das hinter Sparta nordwärts in die Höhe steigt,
Taygetos im Rücken, wo als muntrer Bach
Herab Eurotas rollt und dann durch unser Thal
An Rohren breit hinfließend eure Schwäne nährt.
Dort hinten still im Gebirgthal hat ein kühn Geschlecht,
9000Sich angesiedelt, dringend aus cimmerischer Nacht,
Und unersteiglich feste Burg sich aufgethürmt,
Von da sie Land und Leute placken wie’s behagt.
Helena
Das konnten sie vollführen? Ganz unmöglich scheint’s.
Phorkyas
Sie hatten Zeit, vielleicht an zwanzig Jahre sind’s.
Helena
9005Ist Einer Herr? sind’s Räuber viel, Verbündete?
Phorkyas
Nicht Räuber sind es, Einer aber ist der Herr.
Ich schelt’ ihn nicht und wenn er schon mich heimgesucht.
Wohl konnt’ er alles nehmen, doch begnügt er sich
Mit wenigen Freigeschenken, nannt er’s, nicht Tribut.9009 nannt ] C.1 4nannt’ C.2α 4 C.3 4  (IV a)
Helena
9010Wie sieht er aus?
Phorkyas
9010Nicht übel! mir gefällt er schon.
Es ist ein munterer, kecker, wohlgebildeter,
Wie unter Griechen wenig ein verständger Mann,9012 verständger ] C.1 4verständ’ger C.2α 4 C.3 4  (IV a)
Man schilt das Volk Barbaren, doch ich dächte nicht
Daß grausam einer wäre, wie vor Ilios
9015Gar mancher Held sich menschenfresserisch erwies.
Ich acht’ auf seine Großheit, Ihm vertraut’ ich mich.9016 Ihm ] 2 Hihm C.1 4  (II aa)
Und seine Burg! die solltet ihr mit Augen sehn,
Das ist was anderes gegen plumpes Mauerwerk
Das eure Väter, mir nichts dir nichts, aufgewälzt,
9020Cyklopisch wie Cyklopen, rohen Stein sogleich
Auf rohe Steine stürzend; dort hingegen, dort
Ist alles senk- und wagerecht und regelhaft.
Von außen schaut sie! himmelan sie strebt empor,
So starr, so wohl in Fugen, spiegelglatt wie Stahl.
9025Zu klettern hier – ja selbst der Gedanke gleitet ab.
Und innen großer Höfe Raumgelasse, rings
Mit Baulichkeit umgeben, aller Art und Zweck.
Da seht ihr Säulen, Säulchen, Bogen, Bögelchen,
Altane, Galerie’n zu schauen aus und ein,9029 ein, ] C.1 4ein. C.2α 4 C.3 4  (IV a)
9030Und Wappen.
Chor
9030Was sind Wappen?
Phorkyas
9030Ajax führte ja
Geschlungene Schlang’ im Schilde, wie ihr selbst gesehn.9031 Geschlungene ] 2 III H.2:1Geschlungene (letztes e undeutlich) G 2 III H.33 2 III H.1 Geschlungne : Geschlungene (undeutlich) G 2 III H.2:1 Geschlungne Jo auf eingeklebtem Zettel 2 III H.2:1 2 III H.3a:1 2 H C.1 4  (II b)
Die Sieben dort vor Theben trugen Bildnerey’n
Ein jeder auf seinem Schilde, reich bedeutungsvoll.
Da sah man Mond und Stern’ am nächtigen Himmelsraum,
9035Auch Göttin, Held und Leiter, Schwerter, Fackeln auch,
Und was bedrängliches guten Städten grimmig droht.
Ein solch Gebilde führt auch unsre Heldenschaar
Von seinen Ur-Urahnen her in Farbenglanz.
Da seht ihr Löwen, Adler, Klau’ und Schnabel auch,
9040Dann Büffelhörner, Flügel, Rosen, Pfauenschweif,
Auch Streifen, Gold und Schwarz, und Silber Blau und Roth.9041 Gold bis Roth ] 2 III H.2:1Gold und Schwarze, silbern blau und roth : Gold und Schwarz, und Silber Blau und Roth Ri 2 III H.2:1Gold und Schwarz, und silbern, blau und roth 2 III H.3a:1gold und schwarz, und silbern, blau und roth 2 Hgold und schwarz und silbern, blau und roth C.1 4  (II b)
Dergleichen hängt in Sälen Reih an Reihe fort,
In Sälen, gränzenlosen, wie die Welt so weit;
Da könnt ihr tanzen!
Chor
Sage, gibt’s auch Tänzer da?
Phorkyas
9045Die besten! goldgelockte, frische Bubenschaar.
Die duften Jugend, Paris duftete einzig so,
Als er der Königin zu nahe kam.
Helena
Du fällst
Ganz aus der Rolle, sage mir das letzte Wort!
Phorkyas
Du sprichst das letzte, sagst mit Ernst vernehmlich ja!
9050Sogleich umgeb’ ich dich mit jener Burg.
Chor
9050O sprich
Das kurze Wort! und rette dich und uns zugleich.
Helena
Wie? sollt’ ich fürchten, daß der König Menelas
So grausam sich verginge mich zu schädigen?
Phorkyas
Hast du vergessen, wie er deinen Deiphobus,
9055Des todtgekämpften Paris Bruder, unerhört
Verstümmelte, der starrsinnig Witwe dich erstritt
Und glücklich kebste; Nas’ und Ohren schnitt er ab
Und stümmelte mehr so; Greuel war es anzuschaun.
Helena
Das that er jenem, meinetwegen that er das.
Phorkyas
9060Um jeneswillen wird er dir das Gleiche thun.
Untheilbar ist die Schönheit; der sie ganz besaß9061 die ] 2 Hdeine C.1 4  (II aa)
Zerstört sie lieber, fluchend jedem Theilbesitz.
Trompeten in der Ferne; der Chor fährt zusammen.
Wie scharf der Trompete Schmettern Ohr und Eingeweid
Zerreißend anfaßt, also krallt sich Eifersucht
9065Im Busen fest des Mannes, der das nie vergißt
Was einst er besaß und nun verlor, nicht mehr besitzt.
Chor
Hörst du nicht die Hörner schallen? siehst der Waffen Blitze nicht?
Phorkyas
Sey willkommen Herr und König, gerne geb’ ich Rechenschaft.
Chor
Aber wir?
Phorkyas
Ihr wißt es deutlich, seht vor Augen ihren Tod,
9070Merkt den eurigen da drinne; nein zu helfen ist euch nicht.
Pause
Helena
Ich sann mir aus das Nächste das ich wagen darf.9071 das ich ] 2 III H.2:1was ich 2 III H.3a:1 2 H C.1 4  (II b)
Ein Widerdämon bist du, das empfind’ ich wohl,
Und fürchte, Gutes wendest du zum Bösen um.
Vor allem aber folgen will ich dir zur Burg;
9075Das andre weiß ich; was die Königin dabei
In tiefem Busen geheimnißvoll verbergen mag,9076 In tiefem ] C.1 4Im tiefen 2 III H.2:1In tiefen 2 III H.3a:1In tiefen : In tiefem G 2 H  (II d*)
Sey jedem unzugänglich. Alte! geh voran.
Chor
O wie gern gehen wir hin,
Eilenden Fußes;
9080Hinter uns Tod,
Vor uns abermals
Ragender Veste
Unzugängliche Mauer.
Schütze sie eben so gut
9085Eben wie Ilios Burg,
Die doch endlich nur
Niederträchtiger List erlag.
Nebel verbreiten sich, umhüllen den Hintergrund, auch die Nähe, nach Belieben.
Wie? aber wie?
Schwestern schaut euch um!
9090War es nicht heiterer Tag?
Nebel schwanken streifig empor
Aus Eurotas heil’ger Fluth;
Schon entschwand das liebliche
Schilfumkränzte Gestade dem Blick,
9095Auch die frei, zierlich-stolz
Sanfthingleitenden Schwäne
In gesell’ger Schwimmlust
Seh’ ich, ach, nicht mehr!
Doch, aber doch
9100Tönen hör’ ich sie,
Tönen fern heiseren Ton!
Tod verkündenden sagen sie;
Ach daß uns er nur nicht auch,
Statt verheissener Rettung Heil,9104 verheissener ] C.1 4verheißener C.2α 4 C.3 4  (IV a)
9105Untergang verkünde zuletzt;
Uns den schwangleichen, lang-
Schön weißhalsigen; und ach!
Uns’rer Schwanerzeugten.
Weh uns, weh, weh!
9110Alles deckte sich schon
Rings mit Nebel umher.
Sehen wir doch einander nicht!
Was geschieht? gehen wir?
Schweben wir nur
9115Trippelnden Schritts am Boden hin?9115 Schritts ] 2 HSchrittes C.1 4  (II aa)
Siehst du nichts? schwebt nicht etwa gar
Hermes voran? Blinkt nicht der goldne Stab
Heischend, gebietend uns wieder zurück
Zu dem unerfreulichen, grautagenden,
9120Ungreifbarer Gebilde vollen,
Überfüllten, ewig leeren Hades.
Ja auf einmal wird es düster, ohne Glanz entschwebt der Nebel
Dunkelgräulich, mauerbräunlich. Mauern stellen sich dem Blicke
Freiem Blicke starr entgegen. Ist’s ein Hof? ist’s tiefe Grube?
9125Schauerlich in jedem Falle! Schwestern ach! wir sind gefangen,
9126So gefangen wie nur je.