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Rom, den 10. Januar.

Erwin und Elmire kommt mit diesem Brief, möge dir das Stückchen auch Vergnügen machen. Doch kann eine Operette, wenn sie gut ist, niemals im Lesen genug thun; es muß die Musik erst dazu kommen, um den ganzen Begriff auszudrücken, den der Dichter sich vorstellte. Claudine kommt bald nach. Beide Stücke sind mehr gearbeitet, als man ihnen ansieht, weil ich erst recht mit Kaysern die Gestalt des Singspiels studirt habe.

Am menschlichen Körper wird fleißig fortgezeichnet, wie Abends in der Perspectivstunde. Ich bereite mich zu meiner Auflösung, damit ich mich ihr getrosten Muthes hingebe, wenn die Himmlischen sie auf Ostern beschlossen haben. Es geschehe, was gut ist.

Das Interesse an der menschlichen Gestalt hebt nun alles andre auf. Ich fühlte es wohl und wendete mich immer davon weg, wie man sich von der blendenden Sonne wegwendet, auch ist alles vergebens, was man außer Rom darüber studiren will. Ohne einen Faden, den man nur hier spinnen lernt, kann man sich aus diesem Labyrinthe nicht herausfinden. Leider wird mein Faden nicht lang genug, indessen hilft er mir doch durch die ersten Gänge.

[ Gräf Nr. 872: Wenn es mit Fertigung meiner Schriften unter gleichen Constellationen fortgeht, so muß ich mich im Laufe dieses Jahres in eine Prinzessin verlieben, um den Tasso, ich muß mich dem Teufel ergeben, um den Faust schreiben zu können, ob ich mir gleich zu beiden wenig Lust fühle. Denn bisher ist's so gegangen. Um mir selbst meinen Egmont interessant zu machen, fing der Römische Kaiser mit den Brabantern Händel an, und um meinen Opern einen Grad von Vollkommenheit zu geben, kam der Züricher Kayser nach Rom. Das heißt doch ein vornehmer Römer, wie Herder sagt, und ich finde es recht lustig, eine Endursache der Handlungen und Begebenheiten zu werden, welche gar nicht auf mich gerichtet sind. Das darf man Glück nennen. Also die Prinzessin und den Teufel wollen wir in Geduld abwarten. ]